Keine Band hat mich als Musiker derart beeinflusst und geprägt wie die Rolling Stones. Mit deren Drummer Charlie Watts ist jetzt - nach Brian Jones, der bereits 1969 verstarb - das zweite Mitglied der Stones-Urformation gestorben. Ich hatte es befürchtet und kommen sehen, als die Nachricht um die Welt ging, dass Charlie Watts nicht an der US-Tour 2021 der Band teilnehmen könne, aus gesundheitlichen Gründen. Dass es dann so schnell zu Ende ging, das hatte ich allerdings nicht erwartet.
Im Grunde genommen kann ich selber eigentlich kein Schlagzeug spielen. Eigentlich. Denn wenn ich mich in einem Proberaum an die Schießbude setze, dann kann ich, meines Erachtens, jede Band bis zur Regionalliga rechtschaffen am Schlagzeug begleiten und dabei auch noch ordentlich Druck entwickeln. Gelernt hab ich das alles von Charlie. Der hat mir (leider) nie Schlagezeugunterricht gegeben, der hat mich aber mit seinem Trommeln über Jahrzehnte hinweg nachhaltig in Sachen Rhythmus und Drumsounds trainiert. Wenn ich mit dem Musikproduktionsprogramm
Cubase eine
digitale Drumspur einspiele, dann leitet mich mein Lehrmeister Charlie Watts. Auch seine "Macke", auf dem Hi-Hat die Schläge 2 und 4 auszulassen, praktiziere ich leidenschaftlich, wenn ich mit meinen Drumsticks daheim auf meinem Sofa trommel.
Unvergessen für mich seine ultracoolen Auftritte vor der Kamera und auf der Bühne: In den 1960ern stand er mit der gesamten Band einem Reporter in den USA Rede und Antwort, hielt sich da aber in der Antwort auf die Frage, wie er sich den Erfolg der Stones in Amerika erkläre, wie so oft kurz angebunden: "I really don't know." Nein, manchmal schien er wirklich nicht zu wissen, warum ausgerechnet er ein Star und Idol für hunderttausende sein sollte. Die große Rede war nicht seine Sache. Dafür hatte und hat die Band Mick Jagger. Der frötzelte in einem der neueren Konzerte in den 2000ern, als der stille Drummer bei der Vorstellungsrunde vorne auf die Bühne kam und - ein seltener Moment - wirklich und wahrhaftig das Publikum begrüßte: "He speaks!"
Charlie Watts hat die Songs der Rolling Stones geprägt, kein Song existiert ohne seinen unverwechselbaren Stempel. Bemerkenswert: Er kam vom filigranen Jazz, hat aber als Rock-Drummer einen ebenso gewaltigen wie zuverlässig treibenden Wumms auf seinem Set geschlagen. Er war ein unglaublich bescheidener, demütiger Mensch, kein Rockstar im eigentlichen Sinne, aber ein wahrer Star ohne jegliche Allüren. Er hat mein Leben als Musiker begleitet, ich hatte immer einen nicht zu beschreibenden Respekt vor diesem Mann.
Charlie Watts lebt nicht mehr, er ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Das ist ein sehr trauriger Tag in meinem Leben und ein sehr trauriger Tag für die Musikwelt. Und darum nehme ich mir jetzt Zeit, um um diesen absoluten Ausnahmemusiker zu trauern. Jetzt stehen Stunden des Musikhörens an, Musik von den Rolling Stones, mit Charlie Watts, der für mich unsterblich bleibt. Der Herzschlag der Stones, der in ihrer Musik ewig weiter schlagen wird.
R.I.P. Charlie Watts.
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